Entdeckung des Schnabeltieres:
(Platypus = Ornithorhynchus anatinus)
Schon im 18.Jahrhundert gab es fleißige und flinke Chinesenhände, die leichtgläubigen Seeleuten Nixen andrehten, Fischschwänze, die an Oberkörper von Affenbälgen angenäht waren. Zurück in Europa wurden diese Nixen dann guten Glaubens akzeptiert.
Als 1798 drei Bälge von Schnabeltieren London erreichten, glaubten die Gelehrten an einen entsprechenden Schwindel. Keiner wollte sich ein zweites Mal blamieren. Die Bälge wären bestimmt von einem geschickten Präparator aus Teilen verschiedener Tiere (Otter, Biber, Ente) zusammengenäht worden.
Ein Jahr später trafen in Spiritus eingelegte Schnabeltiere in Europa ein, man konnte sie sezieren und musste ihre Existenz als Tatsache anerkennen.
Das Vorhandensein von Fell, Milchdrüsen, einem vierkammerigen Herzen (dadurch kann sauerstoffreiches Blut vollständig von sauerstoffarmen getrennt werden) und sekundärem Kiefergelenk* bewiesen, dass es sich um ein Säugetier handelte.
Gleichzeitig entdeckte man aber Merkmale, die für Reptilien (und damit auch für Vögel) typisch sind: Geschlechtsleiter, Harnleiter und Darm enden in einem gemeinsamen Gang, der Kloake** (daher die Gruppenbezeichnung: Kloakentiere bzw. Monotremen). Der Schultergürtel entspricht dem uraltem Modell der Reptilien, nicht aber dem der Säuger.
Wie ratlos der deutsche Biologe J.F. Blumenbach war, sieht man an seiner Namenswahl: Ornithorhynchus paradoxus = Widersinniges Vogelschnabeltier.
Die Ratlosigkeit wurde 1884 noch gesteigert, als ein sehr kurzes Telegramm des schottischen Forschers W.H.Cardwell bekannt wurde: "Monotremes oviparous, ovum meroblastic." ( Die Monotremen legen Eier, die dotterreich sind.
Danach setzte eine Flut an Untersuchungen ein, die dem Schnabeltier fast den Artentod beschert hätte. Man stellte fest, was die Tiere fraßen, nicht durch Beobachtungen, sondern durch das Sezieren getöteter Tier. So konnte man auch berichten, dass die Schnabeltiere es höchstens 10 min unter Wasser aushielten, denn nach 13 min waren alle Tiere gestorben, denen man ein Auftauchen unmöglich gemacht hatte. Zusätzlich war das weiche und dichte Fell des Tieres heiß begehrt.
1906 wurde dann in letzter Minute diese Tierart unter Schutz gestellt.
* Sekundäres Kiefergelenk:
Der Unterkiefer der Säuger besteht nur aus einem Knochen pro Kieferhälfte, Reptilien besitzen dagegen drei Kieferknochen. Bei Säugetieren gibt es aber 3 Gehörknöchelchen: Hammer und Amboss - umgebildete Kieferknochen, die zusätzlich noch einen enormen Funktionswechsel durchgemacht haben - und Steigbügel. Letzteren besitzen auch schon die Reptilien. Aus zwei Kieferknochen der Reptilien sind im Laufe der Evolution der Säuger zwei der Gehörknöchelchen entstanden. Deswegen befindet sich das Kiefergelenk der Säuger zwischen anderen Knochen als das der Reptilien, ersteres ist also nachträglich hinzugekommen, es ist also ein sekundäres Kiefergelenk.
Ein unglaubliches Geschehen, wenn es nicht Hinweise in der Embryonalentwicklung der Säuger und den Beweis durch den Fund eines Fossils aus Südafrika - Diarthrognathus - gäbe. Bei letzterem liegen beide Gelenke - primäres und sekundäres - nebeneinander, sie bilden funktionell aber ein Gelenk.
**Kloake nennt man eine Höhlung, in die Geschlechtsleiter, Harnleiter und Darm münden. Reptilien und Vögel besitzen dieses Organ. Bei Säugern sind die Ausführgänge dieser Organe bekanntlich mehr oder weniger perfekt getrennt.
Zur Evolution des Schnabeltieres (Platypus),
als "Brückentier" ein lebendes Fossil:
Das Schnabeltier, ein Versuchsmodell aus dem Experimentierlabor der Evolution.
Es gehört zu einer Tiergruppe, die eines von drei - bekannten - Versuchen darstellt, um aus Reptilienahnen Säuger zu entwickeln.
Vor ca. 200 Millionen Jahren im Erdmittelalter (Trias/Jura) "experimentierte die Evolution" mit neuen Modellen, die aus der Gruppe der Reptilien zum Stamm der Säuger führen sollten (lange bevor die Vögel entstanden waren). Während des gesamten Erdmittelalters standen also die Ahnen der heutigen Säuger im Schatten der Saurier und erst nach deren Aussterben konnten sie sich in einer stürmischen Entwicklung zu den vielfältigen Arten herausbilden, die wir heutzutage kennen.
Viele der neuen Gruppen starben später wieder aus, nur drei Weiterentwicklungen überlebten bis in unsere heutige Zeit.
Von der sehr ursprünglichen Gruppe der Monotremen (Kloakentiere) kennen wir alle die letzten Überlebenden: Schnabeltier und Ameisenigel, die sich "mühsam"" nur in einem Kontinent behaupten konnten, wo sie nicht der Konkurrenz der höheren Säuger ausgesetzt waren.
Und dann eine Gruppe, aus der die der Beuteltiere und unabhängig davon die große Anzahl der höheren Säuger (Plazentatiere) entstanden ist. Der Ursprung der Beuteltiere liegt erstaunlicherweise in dem Teil des Gondwana-Kontinentes, aus dem später Südamerika entstanden ist.
Das Schnabeltier vereinigt Merkmale der Säuger (u.a. Haarkleid, Herzbau, Milchdrüsen, Temperaturregelung um 32°C und das sogenannte sekundäre Kiefergelenk*) , Merkmale der Reptilien (dotterreiche Eier mit pergamentartiger Schale, Bau der Geschlechtsorgane, Kloake**, Milchdrüsen ohne Zitzen) mit Sondermerkmalen (Rückbildung der Zähne, ledriger "Schnabel", Fersensporn der Männchen mit Giftdrüse).
Damit vermittelt es gleichsam zwischen zwei großen Wirbeltiergruppen: den Reptilien und den Säugern. Wir bezeichnen es deswegen auch als Mosaikform. (Dieser Begriff ist besser als die Bezeichnung Brückentier, die auch den Gedanken einer Entwicklung mit dieser Art als Zwischenform implementiert, was sogar bei fossilen Arten, ein Beispiel wäre der sogenannte Urvogel = Archaeopteryx, nicht der Fall ist bzw. nicht zwingend sein muss.)
Diese Tiergruppe weist eine Reihe von urtümlichen Merkmalen auf. Deswegen wird das Schnabeltier auch als lebendes Fossil* bezeichnet, obwohl es in seiner langen Stammesgeschichte auch eine Reihe von Sondermerkmalen entwickelt hat.
Die Existenz solcher Mosaikformen ("Brückentiere") kann man auf vernünftige Weise nur erklären, wenn man eine stammesgeschichtliche Entwicklung von der einen zur anderen Lebewesengruppe annimmt. Dementsprechend sind solche Mosaikformen ("Brückentiere") wichtige Belege für die Evolutionslehre. Sie belegen die Verwandtschaft zweier Gruppen und beweisen, dass sich die Tiergruppen auseinander entwickelt haben.
Das Genom der Schnabeltiere entspricht diesen Besonderheiten: Es ist ein wildes Gemisch aus Reptil-, Vogel- und Säuger-Genen. Zusätzlich sind noch ca. 18% des gesamten Genoms ausschließlich bei Monotremen zu finden. Besonders merkwürdig ist, dass die Schnabeltiere 10 (!) Geschlechtschromosomen besitzen, das Männchen fünf Y- und fünf X-Chromosomen, das Weibchen zehn X-Chromosomen.