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Regenwald, Lianen als typische Bewohner
The Boulders im Wooroonooran NP: tropischer Regenwald

Ökologie und Anpassungen an das Leben im Regenwald:
Licht am Boden als Minimumfaktor

Beherrschend für viele Pflanzenarten des tropischen Regenwaldes ist das Problem des Lichtmangels. Nur die Bäume des obersten Stockwerkes bekommen das volle Sonnenlicht. Das unterste Stockwerk, Farne, Moose, Kräuter und alle Keimlinge erhalten dagegen nur ca. 2% davon. Pflanzen haben verschiedene hoch interessante Problemlösungen entwickelt, um genügend Licht für ihr Überleben zu erhalten. Die wichtigsten Strategien werden vertreten von den Epiphyten, den Würgefeigen und den Lianen.

Lianen im tropischen Regenwald:

Typisch für tropische Regenwälder ist eine Vielzahl von Lianen. Im Kampf um Licht haben sie eine besondere Strategie entwickelt. Sie wurzeln im Boden, verzichten aber auf den aufwendigen und langwierigen Aufbau eines kräftigen Stammes, der die gesamte Krone tragen kann. Stattdessen nutzen sie andere benachbarte Bäume, an denen sie sich auf verschiedene Arten festhalten. Sie umschlingen sie, sie halten sich mit Dornen etc. fest oder sie bilden Haftwurzeln oder Ranken aus. Da ihr Stamm immer dünn und seilartig bleibt, können sie in außerordentlich kurzer Zeit vom Boden aus die lichtdurchflutete Kronenregion erreichen. Ihr Stamm muss aber bestimmte Eigenschaften erfüllen: Damit die Bewegungen des Wirtsbaumes durch den Wind oder sogar ein Einstürzen nicht zum Zerreißen ihres Stammes führt, muss dieser zugfest und gleichzeitig flexibel und elastisch sein. Weiterhin muss er enorme Wassermengen in die Krone der Liane leiten können.

Lianen im Regenwald
Lianen sind typische für Wälder mit hoher Luftfeuchtigkeit und guter Regenversorgung wie z.B. in tropischen Regenwälder

Typen der Lianen:

Windenklimmer: Bei ihnen windet sich der gesamte Stamm um eine Stütze herum. Wir kennen dieses von einigen einheimischen Lianen: Hopfen (Humulus), Zaun- oder Ackerwinde (Convolvulus) und Geißblatt (Lonicera).

Wurzelkletterer: Sie bilden kurze Haftwurzeln aus, die sie an der Rinde des Wirtsbaumes befestigen. Als einheimische Arten sind bekannt: Efeu (Hedera helix) oder der sogenannte "Wilde Wein" (Parthenocissus). Hierzu zählt man auch die Arten, die sich mit Klammerwurzeln festhalten.

Spreizklimmer: Sie bilden Dornen und Stacheln und breiten ihre Zweige so aus, dass sie sich im Geäst des Wirtsbaumes verhaken. Eine einheimische Art ist z.B. die Brombeere (Rubus fruticosus agg.), eine tropische die Rotangpalme (siehe nächste Seite).

Rankenklimmer als höchste Form der Anpassung: Sie bilden aus Sprossen oder Blattachsen schnell wachsende, blattlose Ranken aus. Sobald diese etwas berühren, rollen sie sich spiralig um Äste benachbarter Bäume. Die Drehrichtung kann dabei geändert werden, wodurch eine elastische Aufhängung möglich ist. Hierzu gehört die Weinrebe (Vitis vinifera), bei der Seitensprossen als Ranken ausgebildet sind.

Wasserversorgung der Lianen:

Lianen-Arten benötigen eine hohe Luftfeuchtigkeit und kommen deswegen in Regenwäldern in großer Artenzahl vor. Ihre tauartigen dünnen Stämme können durchaus 100 m lang sein, die Befestigung im Astbereich anderer Bäume ist nicht perfekt, sie rutschen ab und müssen an der Spitze immer wieder ausschießen, um ans Licht zu gelangen. Dadurch hängen viele Stämme wie Seile vom Kronendach herunter oder liegen sogar teilweise am Boden (siehe Bilder unten).

Wasser über diese Entfernung zu leiten ist problematisch und für Lianen an der Grenze des Möglichen. Deswegen ist das Wasserleitungsgewebe im Stamm bei allen Lianen perfektioniert. Dieses entsteht wie bei allen Bedecktsamern (= Angiospermen) aus einer Folge von röhrenförmigen Zellen. Die Zellgrenzen zwischen mehreren aneinander geketteten Zellen sind bei diesen Pflanzen vollständig bzw. zum größten Teil aufgelöst, so dass eine durchgehende Röhre* entsteht. Dadurch wird der Leitungswiderstand des Wassers herabgesetzt. Botaniker sprechen in solch einem Fall von Tracheen (nicht zu verwechseln mit den Tracheen der Insekten).
Bei den Lianen sind sehr viele Tracheen zu einer Röhre verbunden, das Lumen der Zellen ist weiter, die axialen Zellgrenzen sind völlig aufgelöst. Damit haben die Lianen die Grenze des physikalisch Möglichen erreicht. Es besteht bei zu großen Wasserverlusten (Trockenheit) die Gefahr, dass der Transpirationssog so groß wird, dass er die Kohäsionskraft (Anziehungskräfte) der Wassermoleküle übersteigt. Der Wasserfaden in den Tracheen würde dann reißen und durch das Eindringen von Luft den Wassertransport in dieser Röhre unmöglich machen.

Die Pflanze muss also möglichst geringe Wasserverluste an den Blättern aufweisen, so dass nie zu viel Wasser** ersetzt werden muss. Bei Lianen kann das erreicht werden, in dem die Pflanze nur dort wächst, wo die Verdunstungsrate durch eine hohe Luftfeuchtigkeit sowieso gering ist (im Regenwald, bei uns in Auwäldern) oder in dem man die Blätter gegen Wasserverluste besonders schützt (z.B. bei unserem einheimischen Efeu).

*Bei anderen Bäumen (Nacktsamer wie z.B. Nadelhölzern) sind die Zellgrenzen nur durch bestimmte Duchlassstellen, Hoftüpfel, "perforiert", wir sprechen dann von Tracheiden. Diese haben zusätzlich einen geringeren Durchmesser und dickere Zellwände. Sie haben eine Doppelfunktion: sie dienen der Wasserleitung und der Festigung des Stammes.

** Die Blätter müssen ständig mit Wasser versorgt werden. Neben dem Verbrauch durch die Assimilation von Glucose wird Wasser für die Kühlung der von der Sonne beschienenen Blätter benötigt. Weiter werden mit dem Wassertransport von den Wurzeln zu den Blättern (durch den Transpirationssog) Salze transportiert. Deswegen sind begrenzte Wasserverluste durch Transpiration in den Blättern nicht nur unvermeidbar, sondern auch nötig.

Regenwald, Schatten- und Lichtkeimer bei Lianen
Regenwald: Lianen, links Schattenkeimer, rechts Lichtkeimer

Typen der Lebensweise von Lianen:

Lianen, die nur bei hohem Lichtangebot keimen

Diesen Zustand gibt es immer dann in einem geschlossenen Wald, wenn ein Überständer aus Altersgründen zusammenbricht und eine lichtdurchflutete Schneise schafft. Aber genauso durch Einwirkung des Menschen, der Schneisen für den Straßenbau durch den Wald schlägt oder nach einer Abholzung im sogenannten Primärwald. Die schnell wachsenden Lianen erreichen dann die Krone der Vorhölzer und wachsen mit ihnen in die Höhe des Kronendaches der unbeschädigt gebliebenen Bäume. Wenn die Vorhölzer absterben, weil sie von den Hauptholzarten im Laufe der Jahrzehnte überwachsen werden, so hängen die Stämme der Lianen als dicke Seile frei herunter oder liegen sogar als Schlingen am Boden. Das sind alles Kennzeichen eines schon lange geschlossenen Waldes. (Bild unten rechts)

Lianen, die auch im Schatten keimen:

Diese Lianen wachsen im Schatten an den Stämmen der alten Bäume empor, immer auf der Seite, wohin etwas mehr Licht bei schräg stehender Sonne fällt. Es sind häufig krautige Wurzelkletter z.B. wie die bekannten Zimmerpflanzen Philodendren (Aronstabgewächs). (Bild oben links)

Das Wachstum der Wirtsbäume wird durch viele Lianentypen behindert. Die Liane kann ihr Blätterdach so weit ausbreiten, dass die Krone des Wirtsbaumes überwuchert wird und weniger Licht bekommt.

Siehe auch die Seiten:
Ökologie des Regenwaldes
,
Artenvielfalt im Regenwald,
Rotangpalme,
Brettwurzeln und Stammblütigkeit,
Würgefeige,
Fächerpalmen,
Epiphyten,
Baumfarne
,
Bootfarne

Fototipp:
Läuft man durch einen tropischen Regenwald, so sieht man eigentlich nur ein Gewirr von abgeschatteten Blättern und Stämmen mit vielen Lichtflecken durchsetzt. Hier bei "The Boulders" hat der Bach eine natürliche Schneise in den Wald geschnitten, die weit genug ist, so dass Sonnenlicht hineinscheinen kann. Jetzt galt es nur, noch einzelne großflächige, gut beleuchtete Baumteile herauszusuchen. Auch hier liegt in der Reduktion, im Ausschnitt, der Erfolg.

Lianen im Regenwald
Lianen im tropischen Regenwald