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Regenwald: Bäume mit Brettwurzeln
Urwaldriesen mit Brettwurzeln sind typisch für tropische Regenwälder, Lamington NP

Brettwurzeln und Stammblütigkeit im Ökosystem Regenwald:

Die Welt des Regenwaldes ist bestimmt durch das milde gedämpfte Licht, das das Kronendach der Waldbäume nicht herausfiltert und bis auf den Boden fallen lässt. Sonnenlicht erreicht den Boden nur bei hochstehender Sonne und dann nur in kleinen Flecken. Deswegen ist ein reifer Regenwald kein undurchdringlicher Dschungel, sondern am Boden ist er offen, eine Krautschicht fehlt. Keimlinge der Bäume leben hier, sie scheinen fast zu ruhen, sie warten darauf, dass ein Baumriese durch Alter oder Sturm zu Boden fällt, ein Loch in das Kronendach reißt und dem Licht die Möglichkeit gibt, den Boden zu erreichen. Im Kampf um das Licht investieren die Bäume wenig in die Festigkeit der Stämme, deswegen bleiben sie schlank.

Brettwurzeln eines Urwaldriesen
Brettwurzeln bieten Flachwurzlern Standfestigkeit

Brettwurzeln bieten Urwaldriesen Standfestigkeit.

Besonders die Urwaldriesen, die Überständer, die mit ihrer Krone über das geschlossene Kronendach hinauswachsen sind, bilden an ihrem Stammfuß flügelähnliche Brettwurzeln aus, die ihnen deutlich mehr Standfestigkeit gegenüber der Belastung durch Stürme verleihen. Da Regenwälder häufig auf Böden stehen, die durch die schweren Regenfälle ausgewaschen sind, wurzeln die Bäume nicht tiefgründig, da sie dort keine Nährstoffe finden. (Regenwälder wachsen auch auf reinem Sandböden z.B. auf Fraser Island oder im Cooloola NP.) Sie sind Flachwurzler, die den weitaus größten Prozentsatz ihrer Wurzeln in der wirklich obersten Bodenschicht ausbilden. Durch die Ausbildung von Brettwurzeln wird höchste Standfestigkeit mit einem ganz flachen Wurzelteller kombiniert.

Zusätzlich findet der Baum nur in den obersten Bodenschichten Nährsalze (mineralische Nährstoffe wie Stickstoff-, Phosphor-, Kalium-, Kalzium- und Magnesium-Verbindungen). Hier findet die Zersetzung der toten organischen Substanz statt, hier wird sie durch Bakterien und Pilze bis zu Wasser, Kohlendioxid und Nährsalzen abgebaut. Da dieser Vorgang aufgrund der ständigen Verfügbarkeit an Wasser und der hohen Temperaturen recht schnell abläuft, kann sich keine dicke Schicht von Humus bilden wie in den gemäßigten Breiten. Der Baum muss diese Nährsalze ohne Verzug aufnehmen, denn sonst würden sie durch die starken Regenfälle ausgewaschen werden. Dazu wachsen die feinen Wurzelhaare* (oder Haarwurzeln), die Wasser und Nährsalze aufnehmen, größtenteils nach oben und nicht nach unten, ja, sie dringen schon in die frisch herabgefallenen Blätter ein. Sie sind eng mit Pilzfäden verwoben, mit denen sie eine Symbiose eingegangen sind (von den Biologen Mykorrhiza genannt). Diese Pilzfäden sind noch feiner als die Wurzelhaare und vermögen, auch die geringsten Nährsalzmengen aufzunehmen.

Diese sofortige Wiederverwertung der Nährsalze durch diesen Wurzelfilter bewirkt, dass nur geringste Prozentmengen der Nährsalze dem Regenwald verloren gehen und durch die Flüsse abtransportiert werden. Manche dieser Gewässer sind reiner als Regenwasser. (Das erkennt man auch an den außerordentlich klaren Seen im Cooloola NP und auf Fraser Isld, die deswegen praktisch kein Planktonwachstum aufzeigen.)
Das Ökosystem Regenwald praktiziert ein perfektes Recycling.

Baumriesen mit Brettwurzel

* Wurzelhaare befinden sich ausschließlich wenige Millimeter hinter einer Wurzelspitze. Es ist jeweils eine haarförmige Ausstülpung einer Epidermiszelle der Wurzel. Diese Wurzelhaare sind nur kurzzeitig lebensfähig und bilden sich an der wachsenden Wurzel neu. Auf Grund ihrer hohen Anzahl wird dadurch die Oberfläche einer Wurzel enorm vergrößert. Gleichzeitig wird der Boden besser durchdrungen. Generell wird dadurch die Resorptionsleistung (Aufnahme von Wasser und Mineralsalzen) der Wurzel stark erhöht.

Stammblütigkeit im Regenwald
Stammblütigkeit oder Kauliflorie im Daintree NP

Stammblütigkeit (Kauliflorie) - Flughunde als Bestäuber:

Auffallend ist im Regenwald, dass viele Bäume Blüten und damit auch die Früchte im Bereich der blattlosen Stämme und kräftiger Äste anlegen - wir sprechen von Stammblütigkeit oder Kauliflorie. Es sind Bäume, die sich auf die Bestäubung der Blüten durch Fledermäuse und Flughunde (Infos über Flughunde) und auf die Verbreitung der Samen durch Flughunde spezialisiert haben. Dazu gehören ca. 40% aller Bäume des tropischen Regenwaldes.

Diese tropischen Flugsäuger benötigen wegen ihrer großen Flügelspannweite viel Platz für einen ungehinderten Anflug, der nur im Bereich der Stämme, aber nicht im dichten Kronendach möglich ist. Die Blüten öffnen sich meist nachts, weshalb Vögel oder andere Bestäuber keine Chancen haben und ausschließlich Flughunde in Betracht kommen. Da die Bestäuber groß sind, müssen die Blüten groß und robust gebaut sein. Sie enthalten große Mengen an Pollen und Nektar, damit ein Besuch für diese Bestäuber sich lohnt. Die Blütenfarbe ist hell, häufig grünlich oder elfenbeinfarben und ohne farblich markierte Teile. Das ist auch nicht nötig, denn Flughunde haben kein Farbensehen. Stattdessen werden sie durch Duftstoffe angelockt.

Die Flughunde selbst haben deswegen langgestreckte Schnauzen und lange Zungen entwickelt. Wir haben also hier eine Koevolution, die aber nicht so stark ausgeprägt ist wie bei den verschiedenen Blüten besuchenden Insekten und den Blüten der Blütenpflanzen.

Da die Flughunde relativ große Strecken zurücklegen können, sind sie gerade für Regenwaldbäume hervorragende Bestäuber, die weit verstreut stehen. Deshalb spielen die Flughunde gerade in unserer heutigen Zeit, in der der Regenwald stark durch Rodungen fragmentiert wurde, eine noch größere Bedeutung für die Erhaltung dieser Wälder als früher. Die Flughunde können also Pollen zwischen diesen Waldteilen austauschen und dienen damit durch Erhaltung der genetischen Vielfalt zum Erhalt der Artenvielfalt (Diversität) in tropischen Regenwäldern.

Die Früchte können z.T. beträchtliche Größe erreichen (das bekannteste Beispiel ist die Kakao-Frucht), die Samen können große Mengen an Speicherstoffen enthalten, die notwendig sind, damit der Keimling die lange Zeit im Schatten anderer Bäume überstehen kann, bis er bis zum Kronendach gewachsen ist.

Siehe auch die Seiten:
Ökologie des Regenwaldes, Artenvielfalt und Divergenz, Würgefeige, Lianen, Rotangpalme, Fächerpalmen, Epiphyten, Baumfarne, Bootfarne

Brettwurzeln eines Urwaldriesen
Urwaldriese mit Brettwurzeln im Lamington NP